Nun ist es vier Jahre her, seit die Stimmbürger der Gemeinde Vals über «ihre Therme» abgestimmt haben. Es wurde über eine Vorlage abgestimmt, ohne genau zu wissen, welchen Wert das ganze Geschäft hat. Zum Verkauf stand die weltberühmte Therme von Peter Zumthor, inklusive Hotel, Wasser und Grundstücke – die Hotel – und Thermalbad Vals AG. Leider wurde nie offiziell eine externe Geschäftsprüfung durchgeführt, um den möglichen Marktwert des Hotel Therme zu bestimmen. Auch wurde kein offenes und transparentes Bieterverfahren durchgeführt. Unter solchen Umständen ist die Rolle der Entscheidungsträger höchst fragwürdig, es hätte so nie eine Abstimmung geben dürfen.
Die Therme wurde 1996 eröffnet und entwickelte sich sofort zu einem Ort mit Weltruf. Ab 1999 wurde der Hotelbetrieb den Bedürfnissen von kulturinteressierten Gästen nach und nach angepasst. Das Unternehmen florierte, investierte laufend und zahlte Schulden zurück. Trotz dieser Erfolge versuchte die Gemeinde als Eigentümerin der Hotel Therme, ab 2006 einen Co-Investor zu finden; einerseits suchte man zusätzliches Kapital für einen Hotelneubau, andererseits sollte dieser über Know-how in der Betriebsführung verfügen. Die Gemeinde sollte als Hauptaktionär Miteigentümerin bleiben. Beauftragt mit dieser Suche war der damalige Verwaltungsratspräsident Pius Truffer. Seine Bemühungen blieben ohne Erfolg. Im Januar 2010 wurde Truffer von der Gemeindekommission, die für das gemeindeeigene Unternehmen zuständig war, nicht wiederbestätigt. Er verliess im Groll das Unternehmen. Dem Ganzen war auch ein Disput mit Zumthors vorausgegangen. Die Begründungen für die Absetzung waren indes sachlicher Natur: Ein jahrelanges, nicht den Reglementen entsprechendes Doppelmandat als Co-Direktor und Verwaltungsratspräsident, Kompetenzüberschreitungen und Missmanagement. Ein neuer Verwaltungsrat wurde eingesetzt und sollte die Geschicke des Unternehmens im Sinne der Gemeinde Vals führen.
Im Sommer 2010 kontaktierte das kantonale Amt für Wirtschaft die damalige Gemeindepräsidentin und teilte ihr mit, dass man einen Investor zur Hand hätte. Der Name sollte vorerst geheim gehalten werden. Auf Insistieren der Präsidentin – ohne Namensnennung sei keine Verhandlung denkbar – wurde der Name genannt: Remo Stoffel. Die Gemeindepräsidentin sagte dem Amtsleiter und dem bereits vorinformierten neuen Verwaltungsratspräsidenten Stephan Schmid ab. Die Begründung war, dass wenn der Name Remo Stoffel bekannt würde, die Gemeinde gespalten werden könnte. Dies, aufgrund des Rufes von Remo Stoffel in der Gemeinde und darüber hinaus.
Im Herbst 2011 wurde ein neuer Anlauf genommen. Die Regierung des Kantons Graubünden unter Martin Schmid, seine Amtstellenleiter und der Verwaltungsrat teilten dem überrumpelten Gemeinderat mit, man habe ein super Angebot für das Hotel Therme: 1 Million Franken in bar und die Zusage zu einem Hotelneubau für 50 Millionen. Der Investor: Remo Stoffel. Anlässlich einer Präsentation vom Verwaltungsrat im September 2011 wurde den Einwohnern dieses komplexe Geschäft als einmaliges und sehr gutes Angebot für Vals verkauft. Bereits Anfang Oktober sollte im Beisein von Regierungsrat Martin Schmid darüber abgestimmt werden. Das Angebot war nicht durchschaubar und es war schnell klar, dass es sich um ein «unfriendly take-over» handelte. Die unter Druck gesetzte Gemeindepräsidentin konnte den fahrenden Zug jedoch nicht stoppen. In Windeseile suchte sie weitere Mitbieter, in der Hoffnung, so Stoffel hindern zu können. Auch wurde schnell klar, dass der Verwaltungsrat und weitere Amtsträger die Seite gewechselt hatten.
Somit gab es in der Folge zwei, die sich um das Hotel Therme stritten: Die eine Offerte kam von der «Stoffelpart»-Gruppe, mit Remo Stoffel als Kopf und ab Januar 2012 mit dem plötzlich wieder auf der Bildfläche auftauchenden Pius Truffer als Wahlkampfhelfer. Stoffel ist ein im Immobilienbereich tätiger Unternehmer, Geldgeber und gebürtiger Valser. Truffer ist Mitbesitzer des Steinbruches und zweitgrösster Arbeitgeber in Vals und hat somit viel Einfluss auf das Dorf. Und er hatte jahrelang eine wichtige Rolle im Hotel Therme gespielt. Der zweite Bieter war eine Gruppe um Peter Zumthor mit dem Namen «IG Therme Vals». Alle vier Mitstreiter wie auch Zumthor sind keine Valser …
Die Valser entschieden sich am 9. März 2012 – nach einem intensiv, zum Teil diffamierenden Wahlkampf und vielen Versprechungen – mit 7 Prozent mehr Stimmen für die Offerte von Stoffel. «Stoffelpart» versprach den Valsern ein Mehrzweckzentrum im Boda. Speziell die jungen Valser fühlten sich so angesprochen. Wo es Gewinner gibt, gibt es auch immer Verlierer: Die 43 Prozent der Valser, die sich für die Offerte der «IG Therme Vals» entschieden haben. Sie müssen nun zuschauen, wie aus einem gut laufenden Betrieb ein lächerliches Marketing-Architektur-Projekt gemacht wird. Die zwei Verantwortlichen Stoffel und Truffer, die sich als Visionäre der alpinen Tourismus-Industrie geben, haben leider keine Ahnung – genau wie viele Valser übrigens auch – warum die Therme so erfolgreich war.
Die Architektur von Peter Zumthor ist nur der eine Teil, warum das Hotel und Bad zu einem Erfolg wurden. Der andere Teil ist der Inhalt – die Software – wie Peter Zumthor sein Konzept des Autorenhotels umschreibt. Was passiert in den Räumen, welcher Inhalt wird geboten. Und genau dieser Teil verstand seine Frau Annalisa Zumthor als Hoteldirektorin und Gastgeberin von 1999 bis 2009 vorbildlich zu kultivieren. Sie bespielte das Haus mit lebendiger Kultur wie Lesungen und Konzerten.
Peter Zumthor erhielt 1999 den Nobelpreis für Architektur – den Pritzker-Preis – von welchem das Hotel Therme profitierte und womit ein Hauch von Noblesse nach Vals kam. Es verkehrten Persönlichkeiten aus Kultur und Prominenz im Hotel Therme. Die Popularität von Peter Zumthor und die umsichtige Führung des Hotels durch Annalisa Zumthor war eine einmalige Mischung, die weder planbar noch einfach wiederholbar ist.
Die Idee von Peter Zumhor und seinen Mitstreitern der «IG Therme Vals» war es, den Betrieb mit einem Hotelneubau zu ergänzen und so behutsam in die Zukunft zu führen. Vals hatte sich bis dato einen Namen geschaffen, als kleine aber feine Kultur-Destination in den Schweizer Alpen.
Dieser Name scheint nun verspielt, die Kulturtouristen wendeten sich von Vals ab. Vals verzeichnete in den Erfolgsjahren 2001 bis 2010 einen Durchschnitt von 135’000 Logiernächten pro Jahr. Seit 2011 bis heute ging die durchschnittliche Besucherzahl um mehr als 30 Prozent zurück. Mit den beiden grössenwahnsinnigen Projekten, mit denen sich Stoffel und Truffer mit dem etwas fragwürdigen Namen «7132» (Postleitzahl von Vals) einen Namen schaffen wollen, kann sich der Gast, der sich von der Idee von Annalisa & Peter Zumthor abgeholt fühlte, nicht mehr identifizieren. Die beiden dümmlichen Projekte, ein 381 Meter hoher Wolkenkratzer vom amerikanischen Architekt Thom Mayne und der Park «im Boda» mit einer Grösse von 40’000 Quadratmeter vom japanischen Architekten Tadao Ando, sind eine falsch verstandene Art, einen Ort mit grossen Namen aus der Architekturszene zu entwickeln. Von einem Park wie auch einem Wolkenkratzer war vor der Abstimmung seitens Stoffel & Truffer noch keine Rede … Die Valser haben die Katze im Sack gekauft!
Ein «falscher» Volksentscheid kann aus einer kleinen Kultur-Perle ein durchschnittliches Bündner Bergdorf machen – mit all seinen wirtschaftlichen Folgen für alle Valser …
Tipps:
- NZZ am Sonntag 1. Januar 2023: 10 Jahre Streit waren genug
- Hochparterre Nr. 8/22: Vals reloaded (ZIP)
- NZZ vom 5. August 2020: Stoffel einigt sich mit Ermittlern
- SRF Rundschau vom 9. März 2016: Eskalation um Valser Luxusresort | Theke: Remo Stoffel
Bundesgericht Urteil vom 27. November 2017: Gegenstand Sendung Rundschau vom 9. März 2016, Beitrag: «Eskalation in Vals»